Herkunft
Die Jüdin, Philosophin, Konvertitin und spätere Karmeliterin Dr. Edith Stein wurde am 12. Oktober 1891 in Breslau geboren. Sie war die Jüngste von 11 Geschwistern, von denen 4 schon bald nach der Geburt verstorben waren.
Zusammen mit vier Mädchen und zwei Jungen wuchs Edith im Milieu einer liberalen jüdischen Bürgerfamilie auf. Der Vater, Siegfried Stein, Holzgroßhändler, starb früh. Die Mutter Auguste geb. Courant, führte nach seinem Tod das Unternehmen allein weiter und brachte die Familie zu Wohlstand und Ansehen. Frau Stein war persönlich überzeugte Jüdin und versuchte, ihre religiöse Überzeugung auch ihren Kindern weiterzugeben.
Dennoch wandte sich ihre Jüngste bereits in ihrer Gymnasialzeit bewusst vom Glauben an Gott ab.
Hochbegabt studierte sie als eine der ersten Frauen in Deutschland Philosophie, zunächst in Breslau, von 1913 bis 1915 bei Edmund Husserl in Göttingen. Nach glänzendem Doktorexamen, „summa cum laude“, wurde sie in Freiburg als erste Frau im deutschen Sprachraum Husserls Wissenschaftliche Assistentin. Die junge Gelehrte rechnete mit Habilitation und Universitätskarriere.
Auf der Suche nach Gott
Obgleich Edith Stein sich als Atheistin bezeichnete, suchte sie leidenschaftlich nach einer letzten Wahrheit, nach einem letzten positiven Sinn von Leben und Tod. Der lebendige Glaube christlicher Freunde war der ruhelos Suchenden schließlich Anlass, sich mit dem Phänomen des Christlichen auseinanderzusetzen. Nach tiefen inneren Krisen entscheid sie sich für die Konversion zur katholischen Kirche, nachdem sie in einer Nacht bei ihrer Freundin in Bad Bergzabern (Südpfalz) die Selbstbiographie der hl. Teresia von Avila gelesen hatte. „Das ist die Wahrheit“, hatte sie erkannt. Am 1. Januar 1922 wurde sie dort getauft und empfing die Erstkommunion.
Christlicher Welt-Dienst
Am 2. Februar 1922 wurde Edith Stein in Speyer in der bischöflichen Hauskapelle gefirmt. Das war der Anfang ihrer besonders dichten Beziehung zu dieser Stadt. In Speyer vor allem hat sich ihr christlicher Welt-Dienst manifestiert. Unter dem Anspruch des Christseins trat vorerst der Anspruch der Philosophie zurück:
Anstatt als Philosophin wirkte Edith Stein von 1923 bis 1931 in der Domstadt als einfache Lehrerin an der Lehrerinnenbildungsanstalt der Dominikanerinnen von St. Magdalena. In der Erinnerung der Zeugen lebte Edith Stein fort als bedeutende Erzieherpersönlichkeit.
Sie besaß eine hohe Anziehungskraft und strahlte Intelligenz und Geist aus. Ihr Unterrichtsniveau war anspruchsvoll: Sie wusste viel, gab viel, forderte aber auch viel. Sie zensierte streng, aber gerecht. Bei aller Qualität war ihr Unterricht jedoch stets mehr als bloße Wissensvermittlung. Was sie lehrte, war an Christus, der Wahrheit, orientiert. Christi Menschenfreundlichkeit und Güte durchwalteten ihr pädagogisches Handeln. Aus dieser inneren Haltung entsprang ihre ungewöhnliche Bescheidenheit. Nie brachte sie sich selbst zur Geltung, nie spielte sie sich in den Vordergrund, weder im Unterricht noch im Lehrerkollegium.
Mit der Gemeinschaft der Dominikanerinnen war sie in herzlicher Freundschaft verbunden. Ihren persönlichen Lebensstil glich sie weitgehend dem der Ordensfrauen an, in Wohnung, Kleidung, Nahrung bis in die Gestaltung ihres Tageslaufs. Mit den Schwestern nahm sie täglich in der Klosterkirche an der Eucharistiefeier teil, täglich verweilte sie lange Zeit betend vor dem Tabernakel.
Das alles hat ungemein beeindruckt, ja geprägt, und machte Edith Stein zum Leitbild für die pädagogische Wirksamkeit, für das ethische Streben und christliche Leben vieler ihrer Schülerinnen, besonders in der Zeit der Herausforderung unter dem Hakenkreuz.
In Speyer war der Dom Ediths Pfarrkirche; sie hat dort sonntags stets die Pfarrmesse besucht. Als Mitglied der Vincenzkonferenz hat sie sich um viele sozial Benachteiligte in der Stadt gekümmert und auch die Vereinsprotokolle geschrieben.
In der Speyerer Zeit nahm Edith Stein in viel beachteten Publikationen und Vorträgen zu philosophischen und pädagogischen Zeitproblemen Stellung; u. a. übersetzte sie das bedeutende Werk des hl. Thomas v. A. „De veritate – Über die Wahrheit“. Dieses wissenschaftliche Engagement machte ihren Namen in der akademischen Welt weithin bekannt, auch über Deutschland hinaus. 1932 folgte Dr. Stein einem Ruf an das Deutsche Institut für wissenschaftliche Pädagogik in Münster (Westfalen), verlor jedoch wegen ihrer jüdischen Abstammung bereits 1933 ihre Stelle.
Der Weg der Ordensfrau
Im Oktober 1933 trat Edith Stein in Köln in das dortige Karmelitinnenkloster ein und erhielt bei ihrer Einkleidung 1934 den Namen Teresia Benedicta vom Kreuz. Infolge der zunehmenden Judenverfolgung in Deutschland emigrierte sie 1938 zu Echt in Holland. Nach der deutschen Besetzung der Niederlande setzte auch dort die Judenverfolgung ein, und 1942 fiel ihr auch Edith Stein zum Opfer:
Am 2. August jenes Jahres wurde sie verhaftet, nach dem Osten verschleppt und wahrscheinlich am 9. August in Auschwitz ermordet. Schon 1939 hatte sie freiwillig Gott ihr Leben angeboten – für das jüdische und deutsche Volk und den Frieden auf Erden.
Die heilige Edith Stein
Am 1. Mai 1987 wurde Edith Stein von Papst Johannes Paul II. in Köln unter dem Titel „Märtyrerin“ selig gesprochen. Am 4. Mai 1987 weilte der Heilige Vater in Speyer und feierte zu ihrer Ehre auf dem Domplatz ein Pontifikalamt, an dem rund 60.000 Gläubige teilnahmen. Am 11.10.1998 wurde Edith Stein in Rom durch Papst Johannes Paul II. heilig gesprochen. Er ernannte sie auch zur Patronin Europas.
Edith Stein ist eine der bedeutendsten Frauen des 20. Jahrhunderts. Als Philosophin und als Christin ist sie ein lebendiges Wort Gottes in dieser Zeit: ein Wort vom Glauben, an dem sie in ihrem philosophischen Forschen Maß genommen hat, den sie kompromisslos gelebt und durch ihre Gottes- und Nächstenliebe als wahr bezeugt hat, zuletzt in der Feuerprobe von Auschwitz.